Das neue Magazin der BücherFrauen widmet sich dem Jahresthema „Arbeitsmodelle der Zukunft – Wie wollen wir arbeiten?“. Es ist soeben frisch erschienen und hier zu bestellen.

Für die neue Ausgabe habe ich ein Interview mit Dr. Eva Douma, Trainerin und Beraterin für Personal- und Organisationsentwicklung, geführt:

Welche Arbeitsperspektiven bieten sich (in) der Buchbranche?

Ein Gespräch über die Arbeitswelt der Zukunft mit Bücherfrau Dr. Eva Douma, Trainerin und Beraterin für Personal- und Organisationsentwicklung. 

Von Regine Bruns

Wie wollen wir in Zukunft arbeiten? Diese Fragestellung verhandelte Dr. Eva Douma, Trainerin und Beraterin für Personal- und Organisationsentwicklung, im Rahmen einer Round Table Session bei den Buchtagen Berlin 2012.

Die promovierte Historikerin und Sozialwissenschaftlerin sieht die aktuellen Entwicklungen der Arbeitswelt mit kritischem Blick: „Quer durch alle Schichten und Branchen verdichtet sich die Arbeit immer mehr.” Ein träger, gleichförmiger Arbeitsalltag, wie er etwa in Wilhelm Genazinos Roman-Trilogie „Abschaffel“ geschildert werde, existiere heute nicht mehr.

In früheren Zeiten habe es zwar offiziell längere Arbeitszeiten und weniger Urlaub gegeben, aber die Grenze von Arbeit und Freizeit sei klarer definiert gewesen. „Das Dorfleben und die Kirchen bestimmten über Jahrhunderte den Arbeitsrhythmus. Der Sonntag war für alle frei, das Tageslicht setzte dem Arbeitstag ein natürliches Ende.” Erst durch den Einzug der Elektrizität habe die Arbeit einen immer größeren Anteil des Tages ausgefüllt.

„Die ständige Erreichbarkeit durch Smartphone und Laptop ermöglicht es heute, den Arbeitsplatz jederzeit an den entferntesten Ecken der Welt zu betreiben.” Das führe nicht nur zu mehr Freiheit und Flexibilität. Folge sei auch die Entgrenzung von Arbeit und Freizeit. „Die Work-Life-Balance gerät gehörig ins Wanken”, konstatiert Eva Douma.

„Eigenverantwortliches Arbeiten ohne vorgegebene Struktur und Stechuhr kann auch zur Belastung werden. Nicht jede/r schafft es, regelmäßig abzuschalten und den Sabbat einzuhalten,” führt Douma aus. Die Folge sei ein Anstieg der psyschischen Erkrankungen, neumodisch auch Burn-out genannt, wie zahlreiche Untersuchungen der Krankenkassen belegten.

Es sei jedoch nicht nur die Gesundheit und Existenz des Einzelnen die leide, stellt Douma fest. Neue Ideen entstünden vor allem durch Freiräume, wie es sie heute immer weniger gebe. „Heute muss ein Buch innerhalb der ersten sechs Wochen nach Erscheinen laufen,“ sagt Douma. „Kurzfristige Marketingerfolge sind der Maßstab aller Dinge. Im Herbst ist der Topseller des Frühjahrs schon wieder vergessen.” Über Jahre hinweg verfolgte und entwickelte Projekte wie die „Schwarze Reihe“ von Fischer Taschenbuch seien heute kaum noch möglich. Kreative Innovationen seien jedoch das, wovon die hochindustrialisierten Länder und letztlich auch die Buchbranche lebten.

Leiharbeit und Outsourcing verlagere jedoch die unternehmerische Gestaltung und Verantwortung auf die Schultern externer Kräfte. „In vielen Buchverlagen ist heutzutage nicht nur die Textkorrektur und die Übersetzung ausgelagert. Freie Lektoren übernehmen immer mehr konzeptionelle Aufgaben. Der interne Lektor sorgt sich nur noch um das Marketing. Die externen Kräfte müssen sich jedoch immer neu zu beweisen und brauchen den schnellen Erfolg,“ resümiert Douma. „Ein Lektor, der über zwanzig Jahre hinweg eine Buchreihe auf- und ausbaut und damit den Zeitgeist nicht nur aufnimmt sondern aktiv prägt, ist unter diesen Bedingungen unmöglich. Autoren, die mit dem Verlag(slektor) und Verlage, die mit ihren Autoren wachsen, reich und berühmt werden und eine lebenslange Partnerschaft unterhalten, sind im Austerben begriffen. Derzeit gibt es nur wenig Raum für Entwicklung.“ Beliebig, orientierungslos und verunsichert, so nimmt Douma die Branche derzeit wahr. „Der Handel fürchtet sich vor Amazon, die Verlage fürchten sich vor dem eBook, aber kaum jemand öffnet die Augen für die Chancen der aktuellen Veränderungen,“ kritisiert Douma.

Um in einer sich permanent verändernden Welt handlungsfähig und orientiert zu sein, brauche es ein klares Ziel und ein Profil, so ist Douma überzeugt. Das gelte sowohl für Unternehmen, als auch für den einzelnen Arbeitnehmer. Um den eigenen Weg zu finden, hieße es durchzuatmen, stillzustehen, zu schauen, was wirklich wichtig ist und weiterführt. Dass es nicht immer leicht ist, den eigenen Weg zu finden und zu gehen, hätte schon Kurt Tucholsky gewusst, als er kurz nach dem ersten Weltkrieg formulierte: „Nichts ist schwerer und erfordert mehr Charakter, als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein!“

Angesichts der sich verändernden Welt zu greinen, in Schockstarre oder ziellosen Aktivismus zu verfallen, auf diese Weise machten sich Verlage und Buchhandlungen selbst überflüssig. „Wahllos Bücher auf den Markt werfen und vertreiben kann Amazon tatsächlich besser,“ sagt Douma. Stattdessen solle die Branche sich auf ihre Stärken und Kompetenzen konzentrieren, sie ausbauen und weiterentwickeln. „Wer Print produziert, sollte die Vorteile dieser Buchform nutzen und auch haptisch und optisch überzeugen,“ empfiehlt sie. Das eBook biete mehr Möglichkeiten, als eine Textwüste auf einem Display zu präsentieren.

„Bücher müssen die existenziellen Fragen der Gegenwart und Zukunft wenn schon nicht beantworten, so doch wenigstens thematisieren,” meint Douma. Das gelte sowohl für die Belletristik als auch für das Sachbuch. Dafür brauche es nach vorne blickende mutige Menschen, die ihr Fach verstehen und ihrer Zeit immer ein wenig voraus sind. Das schafften gemeinsam und langfristig das Verlagsprogramm entwickelnde Lektoren und Autoren besser als kurzfristig in der „Cloud“ zusammengewürfelte Projektteams.

„Buchhändler müssen wieder kompetente Berater mit Leidenschaft und Persönlichkeit sein, statt Einzelhändler, die neben Duftkerzen und Plüschfiguren auch irgendwelche Bücher im Angebot haben,“ wünscht sich Douma. Sie seien als Lotsen im Dschungel der unübersichtlichen Informationsflut gefragt. Dazu müssen sie nicht nur ihr Buchsegment kennen und selbst lesen. Sie müssen auch kommunizieren und die Bedürfnisse ihrer Kunden erkennen und ernst nehmen. Der eigene Spaß am Buch müsse auf den (potentiellen) Kunden überspringen. Und das gelte nicht nur für das Hardcover sondern auch für das eBook. Auf lange Sicht komme es auch für das Überleben der Buchbranche auf Qualität an, ist Eva Douma überzeugt.

„Schlechte Texte kann ich mir jederzeit im Internet kostenlos herunterladen. Dafür braucht es weder Verlage noch Buchhandlungen,” bringt sie es auf den Punkt. Doumas Fazit für die Zukunft der Buchbranche: „Macht unsere Bücher nicht nur billiger, sondern vor allem (wieder) besser.“

Dr. Eva Douma (Mag. rer. publ.) studierte Geschichts- Sozial- und Verwaltungswissenschaften an der Uni­ver­sität Bielefeld und der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Seit mehr als 15 Jahren ist sie in der Personal- und Organisationsentwicklung als Beraterin und Coach in Frankfurt/M. selbstständig. Wie Betriebe und Menschen in Zukunft gut arbeiten können, ist Thema ihrer Vorträge, Seminare und Publikationen.

www.bucherfrauen.de